Grundlage des Qualifikationskonzepts
Die Informationsschrift 209-093 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung bildet die Grundlage für Qualifikationskonzepte im Bereich der Hochvolttechnik. Der Gültigkeitsbereich der Informationsschrift erstreckt sich dabei sowohl auf privatwirtschaftliche Betriebe als auch auf Ausbildungsstätten wie z. B. Schulen.
Grundsätzlich unterscheidet die DGUV-Information dabei Qualifizierungen für den Bereich der Forschung, Entwicklung und Produktion sowie Qualifizierungen für Arbeiten an Serienfahrzeugen mit Hochvoltsystemen.
Letzteres ist für die berufsbildenden Schulen relevant. Für beide Bereiche gelten dabei grundsätzliche Voraussetzungen, die für jedes Qualifizierungskonzept zwingend sind. Beispielhaft soll hier das Erstellen einer Gefährdungsbeurteilung genannt sein.
Die DGUV-Information 209-093 wirkt dabei ergänzend zu vorhandenen Vorschriften, Normen sowie anerkannten Regeln der Technik.
Ausgehend davon hat die ALP-Dillingen ein Qualifikationskonzept für Lehrkräfte unter besonderer Berücksichtigung der Rahmenbedingungen von Schulen entwickelt.
Qualifikation nach DGUV
Die DGUV-Information 209-093 unterscheidet im Bereich der Arbeiten an Serienfahrzeugen mit HV-Systemen grundsätzlich zwischen vier aufeinander aufbauenden Qualifizierungsstufen. Diese sind von der Stufe S bis hin zur Stufe 3S gestaffelt. Mit jeder Stufe dürfen komplexere Arbeiten und Arbeiten mit größerer elektrischer Gefährdung durchgeführt werden.
Die erste Stufe Sensibilisierung (S) zielt dabei lediglich auf die Bedienung und den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Fahrzeugs ab. Ebenso sind einfache Servicearbeiten (Auffüllen von Motoröl, Kühlwasser usw.) abgedeckt. Die Sensibilisierung kann z. B. von einer Fachkundig unterwiesenen Person (FuP) durchgeführt werden.
Als solche besitzt diese die nächsthöhere Qualifikation (1S). Für alle Arbeiten am Fahrzeug, die nicht an oder in direkter Nähe von Hochvolt-Komponenten ausgeführt werden, ist eine solche Qualifizierung zur Fachkundig unterwiesenen Person (FuP) notwendig. Arbeiten am klassischen Bordnetz bis 30 V AC bzw. 60 V DC sind damit ebenso abgedeckt.
Die dritte Qualifikationsstufe (2S), Fachkundige Person (FHV), berechtigt zu allen Arbeiten am spannungsfrei geschalteten Hochvoltsystem bzw. in dessen Nähe. Das Herstellen der Spannungsfreiheit nach Herstellervorgaben gehört zum Aufgabenbereich des FHV. Personen mit einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker entsprechend der Berufsausbildungsverordnung vom 14.06.2013 besitzen die Fachkunde nach Stufe 2S. Die Fachkundige Person darf, nach Herstellervorgabe, Personen unterweisen und muss dies entsprechend dokumentieren.
Für alle Arbeiten, bei denen das System unter Spannung steht, fehlerbehaftet, oder nicht sicher spannungsfrei zu schalten ist, ist eine Qualifikation nach 3S erforderlich. Ebenso muss eine nach 3S qualifizierte Person in der Lage sein, das Gefährdungspotenzial, welches vom HV-System des Fahrzeugs ausgeht, zu beurteilen. Dies kann beispielsweise bei einem verunfallten Fahrzeug notwendig sein, wenn das HV-System in Mitleidenschaft gezogen worden sein könnte! Kfz-Mechatroniker mit dem Schwerpunkt System- und Hochvolttechnik besitzen mit dem erfolgreichen Abschluss ihrer Berufsausbildung die Qualifikation nach Stufe 3S.
Der Unternehmer, die Unternehmerin tragen dabei die Verantwortung dafür, dass die Mitarbeiter/-innen über die für die durchgeführten Arbeiten notwendige Qualifikation verfügen. Ebenso müssen diese sicherstellen, dass das erforderliche Werkzeug, Diagnosematerial, die geforderte Sicherheitsausrüstung sowie der Zugang zu Herstellervorgaben vorhanden ist. Des Weiteren müssen die Mitarbeiter durch geeignete Schulungen und Qualifikationsmaßnahmen auf dem aktuellen Stand der Technik gehalten werden. Im Bereich der Schulen trägt diese Verantwortung der Schulleiter, bzw. die Schulleiterin.
Qualifikationskonzept für Lehrkräfte
Dazu hat die ALP-Dillingen ein Qualifikationskonzept für Lehrkräfte erstellt, das den Anforderungen der DGUV-Information 209-093 Rechnung trägt. Grundsätzlich teilt sich dieses Qualifikationskonzept in eine Basisqualifikation Q1 und eine Erweiterte Qualifikation Q2 auf. Beide Qualifikationsebenen bestehen wiederum aus vier fachlichen Modulen und der Teilnahme an einem „Erste-Hilfe-Kurs“ mit Herz-Lungen-Wiederbelebung. Die vier fachlichen Module gliedern sich in die Bereiche: Online-Vortest, Online-Selbstlernkurs, Präsenzveranstaltung sowie eine fahrzeugspezifische Einweisung.
Bei der erweiterten Qualifikation Q2 werden in einem online zu absolvierenden Selbstlernkurs das Qualifikationskonzept, die persönliche Schutzausrüstung, technische Schutzmaßnahmen, notwendige Messtechnik und ein Auszug der HV-Komponenten vermittelt. Dieser schließt ebenfalls mit einem Test ab. Die Präsenzveranstaltung findet in regelmäßigen Abständen überregional an Schulen statt. Dabei wird vertieft auf die vor Ort vorhandene fahrzeugspezifische HV-Technik, die Schutzmaßnahmen, die Herstellung der Spannungsfreiheit, die Messung von Potentialausgleich, Isolationswiderstand und HV-Spannung und auf die Diagnose und den Umgang mit fehlerbehafteten HV-Systemen eingegangen. Im letzten Teil des Qualifikationskonzeptes erfolgt die Anwendung auf die Gegebenheiten an der jeweiligen Schule vor Ort. Je nach Fahrzeug müssen sich die Lehrkräfte von ihrem Fahrzeuganbieter vor Ort in das beschaffte Fahrzeug einweisen lassen. Der Nachweis darüber, dass die erweiterte Qualifikation vollständig durchlaufen wurde, erfolgt über ein Portfolio. Die Lehrkraft führt dieses. Es erlangt seine Gültigkeit durch die entsprechenden Teilnahmebescheinigungen. Die Bestätigung erfolgt durch die Schulleitung.
Umsetzung an der Schule
Die Qualifikationsstufen der DGUV-Information 209-093 sind in das Qualifikationskonzept für Lehrkräfte der ALP-Dillingen integriert. Sie finden darin sinngemäß ihre Anwendung.
Soll ein Hochvoltfahrzeug lehrplangemäß im Unterricht eingesetzt werden, muss das Qualifikationskonzept der ALP-Dillingen zwingend eingehalten werden. Werden im Rahmen des Unterrichts beispielsweise Arbeiten an der Bremsanlage durchgeführt, so muss die unterrichtende Lehrkraft mindestens eine Qualifikation der Stufe 1S nachweisen können. Dies kann im Schulbetrieb auf zweierlei Wegen erreicht werden. Entweder erwirbt die betreffende Lehrkraft die Basisqualifikation Q1 im Rahmen des Qualifikationskonzeptes. Diese geht über die Qualifikation einer Fachkundig unterwiesenen Person hinaus und beinhaltet diese.Oder die betreffende Lehrkraft erhält eine Unterweisung zur Fachkundig unterwiesenen Person von jemandem, der bereits im Besitz der Basisqualifikation Q1 ist. Danach dürfen aber lediglich Arbeiten am HV-Fahrzeug durchgeführt werden, die auch dieser Qualifikationsstufe entsprechen.
Wird ein HV-Fahrzeug in der Schule spannungsfrei geschaltet, so muss die durchführende Lehrkraft zwingend über die Basisqualifikation Q1 verfügen. Für alle anderen Arbeiten am intakten spannungsfreien Hochvoltsystem gilt das analog.
Für darüber hinausgehende Arbeiten am HV-System, insbesondere für die Fehlersuche, ist die Erweiterte Qualifikation Q2 notwendig.
Grundsätzlich gilt jedoch für alle Arbeiten an einem HV-Fahrzeug, dass die entsprechenden Herstellervorgaben, unabhängig von der erreichten Qualifikationsstufe, immer einzuhalten sind! Das Qualifikationskonzept der ALP-Dillingen gilt darüber hinaus nur für Arbeiten an HV-Systemen in einem schulischen Zusammenhang.